Bei der Suche nach Azubis und neuen Angestellten sollten Unternehmen nicht mehr nur auf die klassische Stellenanzeige bei der Agentur für Arbeit oder in der Tageszeitung setzen, weiß Torben Dill, Strategischer Marketingberater bei Petersilien Marketing. Mit ihm haben wir darüber gesprochen, warum Soziale Medien beim Recruiting eine immer wichtigere Rolle spielen und wie Unternehmen sich auf den unterschiedlichen Plattformen präsentieren können, um erfolgreich um Nachwuchs zu werben.
Vor allem jüngere Menschen verbringen viel Zeit auf Social Media – fast jeder hat heute ein Smartphone. Social Media-Profile nehmen im Alltag einen großen Platz ein und sind praktisch allgegenwärtig. Welche Rolle spielt Social Media in der Personalbeschaffung und wie funktioniert Social Recruiting?
Erst mal muss man Social Media an sich verstehen. Social Media verbindet in erster Linie Menschen miteinander. Und wenn man das richtig ausnutzt, kann man auch als Unternehmen ganz viele Vorteile daraus ziehen. Ich verstehe Social Media also eher als Distributionskanal, als Informationskanal, als Verbindungskanal zwischen Menschen untereinander, aber auch als Verbindungskanal zwischen Unternehmen und potenziellen Bewerberinnen und Bewerbern.
Sie sprechen viel über Vorteile – welche konkret bietet die Mitarbeitersuche über soziale Plattformen?
Der größte Vorteil ist meiner Meinung nach, dass ich Inhalte so darstellen kann, wie ich es für richtig halte als Unternehmen. Ich bin nicht mehr angewiesen auf externe Reichweiten. Früher musste man sich externe Reichweiten dazu buchen, sei es über die Tageszeitung, über Radiobeiträge, über TV-Spots.
Man darf nicht übervorsichtig sein, denn das führt dann dazu, dass man manchmal aus der Angst agiert, Fehler zu machen.
Doch das Budget ist begrenzt. Heute kann ich durch Social Media sämtliche Themen und Vorzüge meines Unternehmens so darzustellen, wie ich es möchte, und nicht wie ein externer Redakteur es aufnimmt und versteht. Ich habe jetzt also selbst in der Hand, wie ich mich präsentieren möchte, was ich hervorheben möchte, und kann deshalb auch authentischen Content liefern.
Gibt es denn auch Nachteile – kann das wirklich jeder machen oder muss man auch ein bisschen vorsichtig sein, was man postet?
Man darf nicht übervorsichtig sein, denn das führt dann dazu, dass man manchmal aus der Angst agiert, Fehler zu machen. Man sollte schon Mut haben, Social Media so zu nutzen, wie die Kanäle es vorgeben oder wie die Community auf den Kanälen funktioniert. Dazu muss man natürlich auch Gedankenmuster und Vorgehensweisen aufbrechen. Man kann auf Social Media ganz viel Geld verbrennen – in dem man etwa Inhalte postet, die nicht für die Zielgruppe konzipiert sind, sondern fürs Unternehmen. Deswegen ist es sinnvoll, sich vorher einen Plan zu machen und diesen dann gut und konsequent umzusetzen. Und man muss dem Ganzen auch ein wenig Zeit geben. Die Ergebnisse und Reichweiten kommen nicht von heute auf morgen, das kann ein halbes Jahr oder sogar ein Jahr dauern. Nach dieser Zeit sollte man schauen, was man verbessern kann. Aber man sollte erst mal den Mut aufbringen - und das ist meistens schon die größte Krux: sich wirklich zu trauen, Social Media Content zu machen und nicht Werbung.
Was genau ist denn der Unterschied?
Man sollte Inhalte erklären, Infotainment machen, nicht immer wieder das Unternehmen vorstellen, sondern einfach über das sprechen, was man tut - und das am besten von Leuten machen lassen, die vor Ort sind. So schafft man einen Wiedererkennungswert. Ich muss beispielsweise auf dem Kanal der Stadtwerke nicht erwähnen, dass wir hier gerade bei den Stadtwerken sind. Das wissen die Leute, die das Video sehen. Und manchmal ist weniger mehr. Stattdessen kann man einen Post oder ein Video mehr machen.
Jeder von uns kennt Imagefilme, in denen Schauspielerinnen oder Schauspieler ein Unternehmen zeigen, die man sonst dort nie sehen wird. Dabei ist es viel authentischer, wenn man die Angestellten beim Arbeiten zeigt, sie erklären lässt, was es eigentlich besonders macht, bei dem jeweiligen Unternehmen zu arbeiten. Deswegen würde ich die Mitarbeitenden für sich sprechen lassen. Außerdem ist es wichtig, den Mut zu haben, Dinge auszuprobieren, eigene redaktionelle Formate zu erschaffen – und eben die nicht die Marke im Vordergrund zu haben, sondern Inhalte.
Funktioniert die einfache Kachel mit Stellenanzeige denn auch oder sollte man als Unternehmen davon Abstand nehmen?
Natürlich kann man mal sagen: „Bei uns kann man sich bewerben“ und dann am besten eine direkte Verlinkung einbauen zur Bewerbung - die Hemmschwelle für das erste Anschreiben also möglichst geringhalten. Irgendwann muss die Bewerberin oder der Bewerber dann trotzdem noch klassisch seine Zeugnisse mitbringen oder den Lebenslauf vorlegen – aber eben noch nicht direkt. Ich würde den Einstieg möglichst niedrigschwellig halten, damit man mit den Menschen überhaupt erst ins Gespräch kommt.
In großen Unternehmen beackern ganze Teams das Thema Social Media. Wie sieht es denn bei kleinen Unternehmen aus – geht Social Media auch mit wenig Personalaufwand und Budget?
Grundsätzlich geht auch mit kleinem Budget. Da geht es dann darum, Inhalte und Kanäle zu finden, die noch nicht so teuer sind. Wenn wir von Werbeausgaben sprechen, dann haben wir zum einen die Meta-Gruppe mit Facebook und Instagram, wo viele Unternehmen werben. Dementsprechend teuer sind die Werbeplätze.
TikTok funktioniert anders als Instagram. Instagram ist viel Hochglanz, ist viel perfekte Welt, TikTok ist authentischer
Vielleicht ist es für kleinere Unternehmen eher relevant und interessant, die sogenannten „Hidden Champions“ auszuprobieren – wie etwa Jodel und aktuell sogar auch noch TikTok. Und wenn ich beispielweise ITler suche, warum dann nicht auch bei Reddit oder in Foren posten?
Gibt es Kanäle, die Sie für Anfänger empfehlen? Es ist ja vom Aufwand her doch ein Unterschied, ob man ein Foto postet oder ganze Videos produzieren muss.
Ganz genau, TikTok etwa funktioniert nur mit schnell geschnittenem Bewegtbild. Das macht die Contentproduktion schwieriger, immerhin müssen das Videomaterial und auch die Audioqualität stimmen. Ich sollte Untertitel haben, weil viele Menschen im Stumm-Modus schauen und das Video sonst nicht konsumieren können. Daher ist Bewegtbild eher der zweite Schritt.
Anfänger sollten erstmal mit normalen Bildern starten und schauen, wie das funktioniert: Welche Captions laufen gut? Wie funktioniert der Call to Action? Was kommt gut an? Wichtig ist aber auch später bei den Video-Kanälen: TikTok funktioniert anders als Instagram. Instagram ist viel Hochglanz, ist viel perfekte Welt, TikTok ist authentischer. Das heißt auch: Auf TikTok wird eher mal was verziehen, und hier wird auch von der Community erwartet, dass authentischer Content nicht der perfekte Content gezeigt wird.
Wie kommuniziert man denn möglichst authentisch? Haben Sie konkrete Tipps?
Ich würde mir kein vollständiges Skript machen und jedes Wort auswendig lernen. Fünf Stichpunkte sollten reichen. Und die sollte man sich beim Aufnehmen auch nicht angucken, um beim Dreh möglichst natürlich zu sprechen.
Natürlich sollte der Geschäftsführer einer Firma ruhig sprechen, als wäre er ein Geschäftsführer und auf keinen Fall versuchen Jugendwörter einzubauen oder wie ein 17-Jähriger zu sprechen. Aber was wichtig ist: Der Geschäftsführer ist nicht die Zielgruppe für die Posts. Das heißt, selbst wenn ihm ein Video zu schnell geschnitten und dadurch zu hektisch ist, sollte er einen Schritt zurück gehen und sich daran erinnern, dass der Content ihm auch nicht gefallen muss. Denn das Video soll in erster Linie die Jugend ansprechen, und die hat einen anderen Geschmack.
Ist Social Media eine Ergänzung zu normalen Recruiting-Wegen oder wird es diese in Zukunft komplett ersetzen?
Ich finde Ergänzung klingt immer so, als wäre das weniger wert. Wir müssen Social Media als gleichwertigen Teil des Marketings sehen und auch als mittlerweile wahrscheinlich dominierenden Teil des Marketingmix. Wenn wir überlegen, wie man Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit schafft, dann ist man ganz schnell im Social Media-Bereich.
Wenn ich eine Anzeige schalten möchte in einer Zeitung, dann kostet die auch 2.000 Euro. Warum dann nicht für eine Social Media-Kampagne 2.000 Euro in die Hand nehmen, die dann aber über mehrere Wochen läuft, die vielleicht sogar mehrere Clips hat und dann auch zielgruppenorientiert ist? Ich denke es wird eine Verdrängung geben, weil Tageszeitungen, Anzeigenblätter, Plakate und vieles mehr weiterhin eine Berechtigung haben. Wichtig ist aber, dass sowohl offline als auch online Kanäle so genutzt werden, wie sie funktionieren und nicht überall auf die gleiche Art geworben wird.
Wie ist es denn andersherum: Kann das TikTok-Profil für Bewerberinnen und Bewerber zum Jobkiller werden?
Ich würde als Tipp grundsätzlich erstmal empfehlen, dass man einen Google-Alert für seinen eigenen Namen einrichtet, um festzustellen, was weiß die Suchmaschine eigentlich über mich? Und dann würde ich auch mit Berechtigungen arbeiten. Es muss nicht jeder ein öffentliches Profil haben, es muss auch nicht jeder die Partybilder von der letzten Feier öffentlich haben. Grundsätzlich gibt es eine einfache Regel: Wenn ich es meinen Eltern zeigen kann, kann es auch der Arbeitgeber sehen.